Vier Uhr morgens. Die Welt ist noch dunkel. Zumindest in Osttirol. Andy Holzer ist schon munter. Bereit, mit der Welt in Kontakt zu treten. Das Internet braucht er dazu nicht. Das gab es nämlich noch gar nicht, als Andy, 1966 geboren, mit 13 Jahren begann, diesen Planeten für sich zu entdecken. Mit elektromagnetischen Wellen. Einem Funkgerät. Und Menschen, die wie er diese Verbindung liebten. Und es immer noch tun. Andy spricht regelmäßig mit Menschen aus Ländern der ganzen Welt. Inzwischen schon längst auch von Person zu Person. in 4-Augen-Gesprächen. In 10-Augen-Gesprächen. In 100-Augen-Gesprächen.
Die Liste der Orte, die er bereits bereist hat, reicht von der Antarktis bis nach Grönland. Beinhaltet Wüsten oder Inseln wie die Galapagos. Und sehr viele Berge. Die höchsten der Welt hat er alle bestiegen. Die Seven Summits hat er geschafft. Auch den Mount Everest. Dieser wurde allerdings zu einer ganz besonderen Herausforderung für ihn. Das erste Mal verhinderte ein Eissturz am Khumbu-Gletscher den Aufstieg. 16 Menschen kamen dabei ums Leben. Das war 2014. Im Jahr darauf befand sich Andy Holzer mit seinem Team gerade im Basislager, als das stärkste Erdbeben seit 80 Jahren das gesamte Gebiet erschütterte. Eine Eislawine in unmittelbarer Nähe kostete wiederum 18 Bergsteigern das Leben. Tausende von Menschen im Himalaya-Gebiet wurden durch dieses Erdbeben verletzt, getötet oder verloren ihr Hab und Gut.
„Ein Gipfelsieg ist in diesem Moment nicht mehr wichtig. Wichtiger war es, die Häuser der Sherpas wiederaufzubauen. Menschen, zu helfen, die innerhalb weniger Stunden alles verloren haben.“ Zwei Jahre später, am 21.5.2017, erreichte Andy Holzer dann mit seinen beiden Begleitern über den Nord-Nordostgrat den Gipfel des 8,848 Meter hohen Everests. Etwas, das er sich als Kind nie hätte vorstellen können. Die Menschen in seiner Umgebung noch viel weniger. Für sie war es schon erstaunlich, wie sicher Andy von Anfang an kletterte. Wie schnell er mit seinen Fingern die Routen am Fels fand. Wege für sich entdeckte und auf ihnen so sicher wurde, dass er heute anderen Menschen diese Routen und Wege zeigt. Und das nicht nur am Berg.
Seilschaften sind wichtig für Andy Holzer. Er weiß, dass er sie braucht. Und dass wir sie alle brauchen. Egal, ob in der Felswand oder in großen Unternehmen. Er referiert darüber in unzähligen Vortragsreihen. Plädiert für das Miteinander. Spricht davon, dass nicht die Mängel im Vordergrund unseres Seins stehen sollen, sondern das, womit wir sie kompensieren können. Dass unsere Herausforderungen uns wachsen lassen. Dass ein Handicap keines sein muss.
Andy Holzer weiß, wovon er spricht. Er ist seit Geburt an blind.